Rainer Leichtenberger

7. März 20222 Min.

Krieg und Frieden

Aktualisiert: 11. März 2022

Ich beginne mit einer Parabel, die dein Herz öffnen kann.

Ein alter Indianer saß mit seinem Enkelsohn am Lagerfeuer. Es war schon dunkel geworden und das Feuer knackte, während die Flammen in den Himmel züngelten. Nachdem sie beide eine Weile geschwiegen hatten, sagte der Alte:

„Weißt du, in deinem Leben wird dir vieles widerfahren sowie auch mir vieles widerfahren ist. Manchmal fühlt es sich an, als ob da zwei Wölfe in meinem Herzen gegeneinander kämpfen würden.

Der eine Wolf ist der Wolf der Dunkelheit, der Ängste, des Misstrauens und der Verzweiflung. Er bringt dir böse Träume, viel Leid und Schmerz. Der andere Wolf ist der Wolf der Lebensfreude, der Hoffnung und der Liebe. Er bringt dir die guten Träume, schenkt dir Mut und Hoffnung, er zeigt dir den Weg und gibt dir weisen Rat. Diese beiden werden die Zähne fletschen, sich umkreisen, sich an die Kehle gehen bis einer kraftlos zu Boden sinkt.“ Dann schwieg der Alte wieder.

Der Junge fragte voller Ungeduld: „Erzähl weiter Großvater…welcher Wolf wird den Kampf um das Herz gewinnen?“

Der Alte lächelte und sagte: “Der Wolf, der am häufigsten gefüttert wird. Darum lebe achtsam und lerne beide Wölfe gut kennen. Und dann wähle jeden Tag von Neuem, welchen Wolf du füttern möchtest.“

Es ist einfach in diesen Tagen, sich eine schnelle Meinung zu bilden. Putin ist ein Irrer, die Ukraine das Opfer und der Westen die moralische Instanz der Vernunft. Nichts davon scheint mir wahrhaftig zu sein. Wenn wir jede dieser Aussagen in dem Sinne überprüfen, ob auch jeweils das Gegenteil davon wahr sein könnte, also Putin (im Interesse eines russischen Sicherheitsbedürfnisses) lange abgewartet hat und nun logisch und folgerichtig handelt, die Ukraine den Konflikt mit angeheizt hat und die westliche Welt eine perfide Doppelmoral verfolgt, dann finden wir auch für diese Sichtweise Belege. Es könnte hilfreich sein, sich mehrere Seiten der Entwicklung dieses Krieges anzuschauen und sich nicht vorschnell verurteilend festzulegen.

Nichts davon rechtfertigt einen brutalen Angriffskrieg, bei dem - wie immer - die Zivilbevölkerung und Schwächsten leiden, zu Schaden und ums Leben kommen.

Die Frage ist allerdings, was in dieser Situation wirklich hilft: mit dem Mainstream zu skandieren, oder sich zu fragen, was jede*r von uns selbst tun kann, um dem Frieden und dem Mitgefühl für das Leid der Menschen zu dienen?

Meine Freundin Barbara sagte dazu, sie könne sich nicht mit dem Krieg befassen, weil ihr momentaner eigener innerer Krieg das energetische Feld dieser Aggressionen mit ihrer Wut und ihren kriegerischen Impulsen speisen würden. Das ist in meinen Augen weise und verantwortungsvoll. Was geschieht dann mit den Energien derer, die sich empören, die voller Angst "die Russen" schon bis zur Elbe und zur Donau marschieren sehen?

Wer wütend ist, wer Angst hat, wer Racheimpulse verfolgt, dient nicht dem Frieden in der Welt und auch nicht dem Frieden in sich selbst. Die Kunst besteht meines Erachtens darin, alles mit wachen Sinnen wahrzunehmen, nichts zu relativieren und nichts zu dramatisieren. Sich vollkommen der Realität zu stellen, wie sie sich im Moment zeigt. Und gleichzeitig mit der inneren Liebe, der Stille und Lebendigkeit verbunden zu sein. Dann kann man mit Entschlossenheit und Frieden im Herzen versuchen das Richtige zu tun. Mit aller Kraft und so ein wahrer friedvoller Krieger, eine wahre friedvolle Kriegerin werden. Es liegt an dir, welchen Wolf du fütterst.

    530
    10